Dies ist ein Hinweiß für Familien die in Trennungsgedanken hängen

Kindergartenpädagogik
– Online-Handbuch –
Herausgeber: Martin R. Textor
Der ScheidungszyklusMartin R. Textor

zu Teil 1

2. Die Scheidungsphase

Die Scheidungsphase beginnt mit der endgültigen Trennung der Ehepartner und endet mit dem Scheidungsurteil. Sie dauert – von einigen Ausnahmen abgesehen – aufgrund gesetzlicher Vorschriften mindestens ein Jahr. In Einzelfällen, auf die nur in dem Exkurs über das Scheidungsrecht hingewiesen wird, kann sie sich auch über (mehr als) drei Jahre erstrecken. Über die Scheidungsphase liegen viel mehr Forschungsergebnisse und klinische Beobachtungen vor als über die Vorscheidungsphase. Bei der Übertragung amerikanischer Erkenntnisse auf die Situation in Deutschland muss beachtet werden, dass diese Phase in den USA aufgrund der anderen Rechtslage kürzer ist. Generell lässt sich die Scheidungsphase in den Zeitraum nach der endgültigen Trennung und in den Zeitraum um die gerichtliche Scheidung unterteilen.

Die Trennung und die Zeit danach

Zumeist wird die Trennung von der Ehefrau initiiert. In der Regel zieht ein Ehepartner aus der gemeinsamen Wohnung aus und lebt vielfach zunächst in einer provisorischen Unterkunft (zum Beispiel bei Verwandten oder Freunden). Manchmal zieht er in der ersten Zeit mehrfach um, bis er sich schließlich auf Dauer in einem Appartement oder Haus einrichtet. Vereinzelt müssen sich auch beide Partner neue Wohnungen suchen – beispielsweise wenn einer allein die alte nicht finanzieren kann. In einigen wenigen Fällen, die vor allem in Regionen mit Wohnungsknappheit und hohen Mieten vorkommen, sind die Ehegatten zur Trennung „unter einem Dach“ gezwungen. Dabei entsteht eine höchst unnatürliche, spannungsgeladene und emotional belastende Situation. Die Getrenntlebenden kommunizieren wenig miteinander, sie geraten immer wieder in Konfliktsituationen. Da sie kaum Abstand voneinander gewinnen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich mit der Zeit eine akzeptable Beziehung zwischen ihnen ausbildet. Leben Kinder in diesen Familien, so leiden sie zumeist stark unter der für sie unverständlichen Situation. Auch werden sie leicht in Konflikte hineingezogen.

Eine Trennung bedeutet für die Ehepartner eine Vielzahl von Veränderungen im psychischen, sozialen, finanziellen und beruflichen Bereich. Lebensweise, Gewohnheiten, Rollen, Selbstbild ändern sich; die interpersonale Umwelt verhält sich ihnen gegenüber anders. Jeder Getrenntlebende reagiert auf diese Veränderungen auf ganz individuelle und einzigartige Weise. Wohl sind viele Reaktionen typisch, sie treten beim einzelnen aber in einer unterschiedlichen Sequenz, Stärke und Dauer auf. Generell werden sie stark von der Art der Trennung bestimmt. So ist von großer Bedeutung, ob diese plötzlich und überraschend oder nach langen Diskussionen und Auseinandersetzungen erfolgte, ob sie einseitig oder gemeinsam entschieden wurde, und ob eine dritte Partei (Liebhaber) beteiligt ist oder nicht. Beispielsweise hat der Initiator der Trennung zumeist weniger Probleme, da er sich die neue Situation gewünscht hat, sich auf sie psychisch einstellen und notwendige Vorbereitungen treffen konnte. Rein emotional kann er sich aber als der „verlassene“ Partner erleben, wenn zum Beispiel sein Ehegatte ein außereheliches Verhältnis hatte oder sich aus berufsbedingten Gründen kaum um ihn kümmerte. Dann mag er noch starke Bindungen und intensive positive Gefühle empfinden, also in seinen Reaktionen eher einem verlassenen Partner ähneln.

Da Geschlecht, Alter und die jeweilige Phase des Lebens- und Familienzyklus die Folgen einer Trennung entscheidend beeinflussen, sollen diese Faktoren in der nachfolgenden Darstellung besondere Berücksichtigung finden. Von großer Bedeutung ist ferner, ob in der Familie Kinder leben oder nicht. Im letztgenannten Fall treten zumeist weniger Probleme auf, sind die Getrenntlebenden nicht zu einer weiteren Zusammenarbeit und zur Umstrukturierung ihrer Beziehung gezwungen. Die Folgen der Trennung werden außerdem zu einem großen Teil dadurch bestimmt, welcher Schicht die Familie angehört und ob beide Ehepartner (voll-)erwerbstätig sind oder nicht.

Nach der Trennung haben viele Ehegatten Probleme, das Ende ihrer Ehe zu akzeptieren. Dieses gilt vor allem für Personen, die noch positive Gefühle für ihren Partner empfinden, die die letzten Monate als relativ ruhig erlebten, die nur den Gatten oder einen Dritten für die Trennung verantwortlich machen, die sich in der neuen Situation besonders einsam und unsicher fühlen oder die in ihrem Netzwerk auf viel Kritik stoßen. Selbst der Initiator bezweifelt oft, ob er die richtige Entscheidung gefällt hat. Auch mag er starke Schuldgefühle entwickeln, weil er das Auseinanderbrechen seiner Familie verursacht und den anderen Familienmitgliedern so großen Schmerz bereitet hat. Zumeist verspürt er aber Erleichterung, dass er seine Trennungsabsicht in die Tat umgesetzt hat. Er akzeptiert eher die nun entstandene Situation, sieht seine Zukunft relativ positiv und mag sich sogar auf das Leben als Single freuen.

Besonders schwer fällt es dem Partner, der sich als plötzlich verlassen erlebt, das Ende seiner Ehe zu akzeptieren. Er kann die Entscheidung des Ehegatten nicht nachvollziehen, fühlt sich zurückgewiesen und abgelehnt. Oft verneint er zunächst die für ihn unverständliche Situation, durchläuft dann eine Phase des Protests und versinkt schließlich in tiefer Verzweiflung. Manchmal hofft er auch, durch bestimmte Verhaltensweisen die Zuneigung des Partners wieder zu gewinnen. Wenn dieses nicht gelingt, fühlt er sich machtlos und hilflos. Er kann aber auch mit Wut und Hass reagieren, sich dem Ehegatten gegenüber aggressiv verhalten und ihn bestrafen wollen – wobei er vielfach nicht vor Gewalt und, im Einzelfall, auch nicht vor einem Mordversuch zurückschreckt. Natürlich kann auch der Partner brutal reagieren. Wallerstein und Blakeslee (1989) berichten, dass in ihrer Stichprobe mehr als die Hälfte der Kinder Zeugen von Gewalttätigkeiten zwischen ihren Eltern wurden.

Befragt man Erwachsene, welche Gefühle sie nach der Trennung verspürten, so berichten sie von Schmerz, Trauer, emotionaler Erstarrung, Selbstmitleid, Depressivität, Hoffnungslosigkeit, Angst, Unsicherheit, Wut, Hass, Verbitterung, Rachegefühlen, Aggressivität, Minderwertigkeitsgefühlen, Selbstzweifeln, Schuldgefühlen. Zumeist dauern diese Gefühlszustände lange an und wechseln in Art und Intensität. Oft werden auch entgegengesetzte Emotionen erlebt. Die genannten Gefühle führen leicht zu unüberlegtem und irrationalem Verhalten. Die Beschäftigung mit ihnen zieht vielfach die berufliche Leistungsfähigkeit in Mitleidenschaft. Ferner wird häufig von psychischen und psychosomatischen Störungen berichtet. So sagten bei der amerikanischen Untersuchung von Spanier und Thompson (1984) ein Drittel der Frauen und ein Fünftel der Männer, dass sie in der Zeit nach der Trennung unter Symptomen litten. Generell wird von Schlafstörungen, Erschöpfung, Apathie, Nervosität, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Drogen- und Medikamentenmissbrauch, erhöhtem Alkohol- und Nikotingenuss, Depressionen und so weiter berichtet. Nach verschiedenen Untersuchungen sind bei Getrenntlebenden und Geschiedenen erhöhte Selbstmordraten, eine größere psychiatrische Morbidität, eine überdurchschnittlich große Anfälligkeit für Krankheiten und eine höhere Unfallrate festzustellen (vgl. Bojanovsky 1983; Dyer 1986; Mowatt 1987).

Es ist jedoch zu beachten, dass es neben den beschriebenen negativen Gefühlen und Symptomen auch entgegengesetzte Entwicklungen gibt. Das verdeutlicht eine Befragung von 132 geschiedenen Männern und 235 Frauen, die im Rahmen einer für die USA repräsentativen Umfrage bei rund 3.000 Singles erfolgte: Wohl kam es im ersten Jahr bei vielen zu einer Abnahme der Selbstwertgefühle (15 % der Männer, 17 % der Frauen), der Zufriedenheit (33 % der Männer, 32 % der Frauen), der inneren Energie (21 % der Männer, 28 % der Frauen) und des Gefühls einer positiven Weiterentwicklung (11 % der Männer, 12 % der Frauen), zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes (19 % der Männer, 21 % der Frauen), zu Schlafstörungen (25 % der Männer, 33 % der Frauen) und zu Depressionen (41 % der Männer, 51 % der Frauen) – bei vielen kam es aber auch zu einer Zunahme des Selbstwertgefühls (49 % der Männer, 64 % der Frauen), der Zufriedenheit (50 % der Männer, 60 % der Frauen), der inneren Energie (35 % der Männer, 53 % der Frauen) und des Gefühls der eigenen positiven Weiterentwicklung (59 % der Männer, 76 % der Frauen), zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes (27 % der Männer, 32 % der Frauen), zu einem Rückgang der Schlafstörungen (16 % der Männer, 33 % der Frauen) und zu einer Abnahme von Depressionen (21 % der Männer, 30 % der Frauen) (Simenauer und Carroll 1982).

Diese Unterschiede lassen sich auf verschiedene Weise erklären. So ist zum Beispiel die subjektive Bewertung der Trennung im Hinblick auf die eigene Gegenwart und Zukunft von großer Bedeutung. Sieht ein Getrenntlebender die Scheidung in erster Linie als Chance des Neubeginns, so wird er relativ schnell über sie hinwegkommen. Betrachtet er sie hingegen als Verstoß gegen Gottes Ordnung, als Folge des eigenen Versagens oder als Zeichen, dass er unattraktiv und nicht liebenswert ist, so wird er lang an der Trennung leiden. Außerdem bewältigt eine Person diese Situation besser, wenn sie ein großes Repertoire an coping-Strategien besitzt, also schon viele kritische Lebensereignisse erfolgreich angegangen ist. Eine große Rolle spielt auch, inwieweit sie die Trennungssituation als Verbesserung gegenüber der Ehe erlebt. So verschwinden vielfach die in der Vorscheidungsphase erlebten psychischen und psychosomatischen Störungen, da Ehekonflikte, Angst vor dem Partner und ähnliche Belastungen nicht mehr von Bedeutung sind. Manche Getrenntlebende finden auch in einer neuen intimen Beziehung Zufriedenheit und Glück. Hingegen leiden Personen eher unter negativen psychischen Folgen der Trennung, wenn sie frühere Verlusterfahrung unzureichend verarbeitet haben, viel in ihre Ehe investierten, einen großen Statuswert erlebten oder mit den Herausforderungen der neuen Situation nicht fertig werden.

Von großer Bedeutung für das Ausmaß des emotionalen Wohlbefindens nach der Trennung sind ferner die Netzwerkkontakte. Verheimlichen Getrenntlebende ihre neue Lebenssituation vor Freunden, Kollegen und Bekannten, so können sie von diesen keine Unterstützung erfahren und sind in ihrem Schmerz allein. Sind sie Einzelgänger oder verlieren sie mit der Trennung die meisten Freunde und Bekannten, da diese eine engere Beziehung zum ehemaligen Partner haben oder dessen Partei ergreifen, werden sie ebenfalls wenig Rückhalt finden und sich einsam fühlen. Inwieweit sie in einem ausdifferenzierten Netzwerk Hilfe finden, hängt zu einem großen Teil davon ab, ob Verwandte, Freunde und Bekannte der Trennung eher zustimmten oder nicht. So berichteten bei der amerikanischen Studie von Spanier und Thompson (1984) nur die Hälfte der Frauen und 35 % der Männer, dass die eigenen Eltern der Trennung zustimmten. Hingegen stieß rund ein Drittel der Befragten auf Kritik und Ablehnung. Unabhängig von ihrer Haltung ergreifen die Mitglieder der Herkunftsfamilie jedoch in der Regel die Partei ihres Blutsverwandten und helfen ihm – sofern vor der Trennung noch engere Kontakte bestanden. Allerdings berichteten bei der vorgenannten Untersuchung auch ein Viertel der Männer und ein Drittel der Frauen von emotionaler Unterstützung durch die Schwiegereltern.

Bei Freunden und Bekannten ist es zumeist weniger wichtig, ob sie der Trennung zustimmen oder nicht. Aber auch sie entscheiden sich in der Regel für einen der beiden Partner, wobei sie sich von der Intensität und Qualität der Beziehungen leiten lassen. Sie bieten Verständnis und Empathie, vermitteln Gefühle der Sicherheit und Geborgenheit, helfen beim Umzug, bei der Arbeitssuche, im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, ermöglichen eine befriedigende Freizeitgestaltung und versuchen, neue Partnerschaften zu stiften. Nach der genannten Studie erhielten 85 % der Frauen und 65 % der Männer Dienstleistungen sowie 65 % beziehungsweise 30 % eine finanzielle Unterstützung aus ihrem Netzwerk. Manchmal erleben Getrenntlebende aber auch das Mitleid und die Hilfsbereitschaft von Verwandten und Freunden als übertrieben. Auch fühlen sie sich bald sonderbar in der Gesellschaft von Ehepaaren. So nimmt der Kontakt zu verheirateten Freunden einige Monate nach der Trennung rapide ab (vor allem bei Frauen). Die Getrenntlebenden beginnen, ihr geschrumpftes Netzwerk auszubauen. Sie schließen neue Bekanntschaften, insbesondere mit Singles und Geschiedenen. Dabei ändern sie ihr Selbstkonzept und nehmen sich mehr und mehr als Alleinlebende (beziehungsweise Alleinerziehende) wahr. Zugleich verändern sie ihren Lebensstil, entwickeln neue Lebensziele und -inhalte.

In den ersten ein, zwei Monaten nach der Trennung haben Getrenntlebende in der Regel relativ wenig Kontakt zu Sexualpartnern – sofern nicht ein außereheliches Verhältnis fortgesetzt wird. Sie sind sich oft nicht im klaren, ob die Trennung endgültig ist und ob sie für neue Beziehungen frei sind. Nach der Untersuchung von Spanier und Thompson (1984) über 210 geschiedene Personen begann aber die Mehrheit innerhalb von sechs Monaten nach der Trennung mit der Partnersuche. Ausnahmen sind vor allem Getrenntlebende, die noch starke Bindungen an den Ehegatten verspüren, intensiv mit sich selbst (ihrem Leiden, der Selbsterkenntnis, dem Aufarbeiten der Vergangenheit usw.) beschäftigt sind, in der Beziehung zu ihren Kindern aufgehen, ein starkes Misstrauen gegenüber dem anderen Geschlecht entwickelt haben oder große Angst vor Zurückweisung oder einem erneuten Scheitern haben.

Viele Personen, insbesondere wenn sie lange verheiratet waren, fühlen sich bei der Partnersuche sehr unsicher. Sie wissen oft nicht, wo sie potentielle Partner treffen und wie sie mit ihnen Kontakt aufnehmen können. Auch bezweifeln sie häufig, dass sie auf andere Personen (sexuell) attraktiv wirken. Ihre Ängste, Zweifel und Schuldgefühle äußern sich in neuen Beziehungen vielfach in der Form sexueller Probleme. So wurde bei einer amerikanischen Untersuchung über 367 Geschiedene (Simenauer und Carroll 1982) herausgefunden, dass 20 % der Männer und 45 % der Frauen im ersten Jahr des Alleinlebens einen Mangel an Lust erlebten. Auch berichteten 11 % der Männer von Impotenz und 8 % von vorzeitiger Ejakulation; 20 % der Frauen waren unfähig, einen Orgasmus zu erleben. Etwa ein Viertel der Befragten begann zu masturbieren oder onanierte häufiger als vor der Trennung; 9 % der Männer und 6 % der Frauen berichteten das Gegenteil. Außerdem erwähnten 54 % der Männer und 44 % der Frauen eine Zunahme sowie 27 % beziehungsweise 36 % eine Abnahme von sexuellen Aktivitäten. Schließlich fanden fast zwei Drittel der Befragten, dass ihre sexuelle Attraktivität nach der Trennung wuchs.

Generell lassen sich mehrere Verhaltensmuster bei der Partnersuche beobachten. So erleben viele Getrenntlebende eine „zweite Adoleszenz“: Sie wechseln häufig ihre Partner und experimentieren mit verschiedenen Ausdrucksformen von Sexualität. Sie wollen sich selbst bestätigen, dass sie noch begehrenswert sind und mit jüngeren Konkurrenten mithalten können – oft suchen sie sich sehr viel jüngere Partner. Getrenntlebende, die sich als wenig attraktiv und liebenswert erleben oder aufgrund ihrer Vorerfahrungen ein niedrigeres Anspruchsniveau haben, akzeptieren auch Sexualpartner, mit denen sie normalerweise keinen Kontakt aufnehmen würden. Da rasch wechselnde sexuelle Beziehungen das Bedürfnis nach Intimität nicht befriedigen und oft als enttäuschend oder desillusionierend erlebt werden, ändern viele bald wieder ihr Sexualverhalten. Auch steigt mit der Zeit das Anspruchsniveau wieder an. Die Getrenntlebenden suchen dann nach längerfristigen und intensiveren Beziehungen. Manche ändern ihr Verhalten jedoch nicht, weil sie große Bindungsängste haben, keine neuen Verpflichtungen übernehmen wollen oder ihre Kinder allein erziehen möchten.

In anderen Fällen haben die Getrenntlebenden schon vor der Trennung eine enge, intensive und intime Beziehung gefunden oder gehen eine solche so bald wie möglich ein. Sie erfahren in ihr Liebe, Zuneigung, Verständnis und Empathie, können in ihr die gescheiterte Ehe aufarbeiten und vergessen. Viele suchen auch von Anfang an einen neuen Ehepartner, insbesondere wenn sie sich einsam fühlen und mit sich selbst nichts anfangen können, wenn sie materielle Probleme haben oder es als schwierig erleben, Berufstätigkeit und Erziehung miteinander zu vereinbaren. Haben sie Kinder, halten sie nach einem Partner Ausschau, der mit diesen gut auskommt, und integrieren ihn langsam in ihre Familie. Nur selten heiraten sie direkt nach der Scheidung. Auch führt nur in Einzelfällen eine außereheliche Beziehung zur Heirat.

Im folgenden sollen einige alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede herausgearbeitet werden. Während Personen, die noch relativ jung sind, nur kurze Zeit verheiratet waren und keine Kinder haben, sehr schnell in den Lebensstil von Singles zurückfallen, wenig Probleme mit der Partnersuche haben und leicht voneinander finanziell unabhängig werden, ergibt sich ein anderes Bild bei Ehepaaren, die lange zusammenlebten. So wurden 1987 beispielsweise in der Bundesrepublik 17.634 Ehen nach 16 bis 20 Ehejahren, 13.132 nach 21 bis 25 Jahren und 10.428 nach 26 und mehr Jahren geschieden (Statistisches Bundesamt 1989a). In diesen Fällen wird die Trennung als ein großes Trauma und als Verlust an Lebenssinn erlebt, da die Partner viel in ihre Ehe investiert haben. Sie können ihren Lebensstil nur unter großen Schwierigkeiten ändern, weil es viele eingefahrene Verhaltensmuster und oft noch eine traditionelle Arbeitsteilung in der Familie gibt. So sind viele Frauen nicht erwerbstätig und haben aufgrund ihres Alters und mangelnder Berufserfahrung wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt – sie müssen von den Unterhaltszahlungen ihrer früheren Ehemänner leben, geraten oft in finanzielle Schwierigkeiten und erleben einen großen Statusverlust. Auch ist es für sie schwierig, ihr geschrumpftes Netzwerk auszuweiten. Beispielsweise berichtete die Hälfte von 204 kanadischen Frauen, die 20 Jahre und länger verheiratet waren, dass sie sich nach der Trennung einsam fühlten (Langelier und Deckert 1980). Ein Drittel verlor viele verheiratete Freunde. Fast alle berichteten aber, dass sie mit der Zeit unabhängiger und durchsetzungskräftiger wurden. Ältere Männer erleben eine Trennung oft als Zeichen persönlichen Versagens. Sie besitzen aber zumeist eine sichere Selbstidentität und bessere coping-Strategien als jüngere Männer. Auch sind sie beruflich etabliert und können auf ausdifferenzierte Netzwerke zurückgreifen.

In der Regel ist es für Getrenntlebende schwer, ihren Kindern zu erklären, wieso sie sich nach mehr als 20 Ehejahren scheiden lassen wollen. Allerdings müssen sie weniger Rücksicht auf ihre Kinder nehmen, da diese selbständig und oft bereits finanziell unabhängig sind. Große Probleme bereiten aber die Beziehungen zu Schwiegereltern und deren Verwandten, da sie häufig im Verlauf der Zeit sehr intensiv geworden sind. Auch gibt es vielfach Schwierigkeiten bei der Aufteilung des Besitzes, weil er recht groß sein kann und an viele Dinge Gefühle und Erinnerungen geknüpft sind. Eine besondere Situation entsteht, wenn die Ehepartner bereits im Ruhestand leben. Dann muss die Rente geteilt werden (finanzielle Probleme), sind die Getrenntlebenden weniger anpassungsfähig, wird die nach dem Eintritt in den Ruhestand eintretende Reduzierung des Netzwerkes noch verstärkt, ist das Unverständnis bei Kindern und Enkeln besonders groß.

Die Trennung ist auch für Männer und Frauen mit unterschiedlichen Folgen verbunden. So haben erstere oft große Schwierigkeiten mit der Haushaltsführung, insbesondere wenn sie in einer Ehe mit traditioneller Arbeitsteilung lebten. Sie sind frustriert und mit sich selbst wütend, wenn sie mit einfachen Hausarbeiten nicht fertig werden. Da ihnen das Kochen Probleme bereitet, verschlechtert sich ihre Ernährung. Auch essen sie unregelmäßig und nehmen häufig Mahlzeiten am Imbissstand oder in Restaurants zu sich. Hinzu kommt, dass sie ihre Wohnung nicht mehr als Heim erleben, weil sie zumeist umziehen mussten, ihre neue Unterkunft als ungemütlich empfinden und sich in ihr einsam fühlen. Deshalb verbringen sie so viel Zeit wie möglich außer Haus, stürzen sich also zum Beispiel in die Arbeit oder in das Nachtleben. Selbstverständlich ändert sich diese Situation, sobald sie die Haushaltsführung beherrschen oder eine Partnerin gefunden haben. Im Gegensatz zu Frauen unterdrücken getrenntlebende Männer eher Gefühle der Trauer und des Schmerzes, aber weniger Emotionen wie Zorn und Hass. Auch sind sie häufig von der Stärke ihrer Abhängigkeitsbedürfnisse überrascht. Zumeist fällt es ihnen schwer, mit anderen über ihr Gefühlsleben zu sprechen, da dieses der männlichen Geschlechtsrolle widerspricht und weil sie oft keine wirklich engen Beziehungen zu gleichgeschlechtlichen Freunden haben. So beginnen sie bald mit der Partnersuche und sind dabei in der Regel erfolgreicher als Frauen, die hingegen leichter vertrauenswürdige Freundinnen finden.

Frauen zeigen nach der Trennung meist Gefühle wie Trauer, Reue und Angst; hingegen verdrängen sie aggressive Impulse. Ältere Frauen, die viel in ihre Familie investiert haben, werden häufig depressiv, da sie ihren bisherigen Lebenssinn verlieren. Sie erleben es oft auch als sehr schwierig, die zuvor von ihren Männern erfüllten Aufgaben zu übernehmen, insbesondere weil in ihren Familien seit langem bestimmte Muster der Arbeitsteilung praktiziert wurden. Sie fühlen sich in ihrer Rolle als Getrenntlebende lange unsicher, da sie von dem Mangel an Normen und Regeln über das Leben nach Trennung und Scheidung besonders betroffen sind (Anomie). Mit der Zeit entwickeln sie aber einen neuen Lebensstil, neue Hobbys und Freizeitaktivitäten. Jüngere Frauen erweitern ihr soziales Netzwerk und beginnen wieder mit der Partnersuche. Sie verändern oft ihr Aussehen, legen beispielsweise mehr Make-up auf, entscheiden sich für modernere Frisuren und kleiden sich entsprechend der neuesten Mode. Viele Frauen vernachlässigen aber auch ihre äußere Erscheinung und nehmen an Gewicht zu.

Heute wird von Frauen erwartet, dass sie sich nach Trennung und Scheidung selbst ernähren, sofern sie nicht Kleinkinder zu versorgen haben. Für ältere Getrenntlebende, die vor der Ehe nur niedrige berufliche Qualifikationen erworben hatten und dann Hausfrauen wurden, ist es jedoch sehr schwer, eine adäquate Stelle zu finden. So erleben sie oft einen starken sozioökonomischen Abstieg. Da sie ihre Position in Abhängigkeit von dem Beruf ihres Mannes definiert haben, bedeutet die Trennung für sie zugleich einen großen Status- und Selbstwertverlust. Aber auch Frauen, die nur schlecht bezahlte Teilzeitarbeit ausüben beziehungsweise finden, müssen große Einbußen in ihrem Lebensstandard verkraften. Sie haben wenig Geld für die Ergänzung der Wohnungseinrichtung, für Freizeitaktivitäten und Urlaubsreisen; oft benötigen sie staatliche Hilfen. Sozialer Abstieg, Arbeitslosigkeit und materielle Probleme verschärfen noch die Folgen der Trennung und führen zu einer schlechteren Anpassung an die neue Situation. Hinzu kommt, dass sich das Los von getrenntlebenden oder geschiedenen Frauen ohne adäquate Berufsausbildung zumeist im Verlauf der Zeit kaum bessert.

Jüngere Frauen haben heute in der Regel eine gute Schulbildung genossen und eine Berufsausbildung abgeschlossen. Sofern sie zum Zeitpunkt der Trennung nicht mehr erwerbstätig sind, finden sie leicht eine neue Stelle. Auch haben sie mehr Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs, so dass sich ihre materielle Situation mit der Zeit verbessert. Allgemein lässt sich sagen, dass erwerbstätige Frauen eine Trennung psychisch besser überstehen, da die gewohnte Berufssphäre Kontinuität bietet, die Arbeit als Quelle von Befriedigungen und positiven Selbstwertgefühlen erlebt wird, finanzielle Notlagen seltener auftreten und Kollegen vielfach verständnisvoll und hilfreich sind. Vor allem ältere erwerbstätige Frauen haben oft nach der Trennung weniger Probleme, da sie im Beruf gelernt haben, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und Entscheidungen zu fällen.

Besonders problematisch ist die materielle und berufliche Situation von Getrenntlebenden, die Kinder haben und diese versorgen müssen. Wie wir bereits in der Einleitung gesehen haben, handelt es sich in etwa 85 % der Fälle um Frauen. Da die Kinder zum Zeitpunkt der Trennung in der Regel noch recht jung sind (die meisten Ehen werden im ersten Ehejahrzehnt geschieden), haben viele Mütter ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben oder auf Teilzeitarbeit beschränkt. Im ersten Fall erleben sie es als schwierig, eine mit der Kinderbetreuung zu vereinbarende Stelle zu finden, und sind oft lang arbeitslos. Aber auch im zweiten Fall müssen sie häufig mit der Arbeitssuche beginnen, wenn das Erwerbseinkommen sehr niedrig ist. Die schlechte materielle Situation dieser Teilfamilien wird in einer Studie von Neubauer (1988) verdeutlicht. Die Autorin ermittelte, dass im Jahr 1985 getrenntlebende Mütter mit Kindern unter 18 Jahren den überwiegenden Lebensunterhalt zu 49,8 % aus Erwerbstätigkeit, zu 28,1 % aus Unterhaltszahlungen, zu 13,9 % aus Sozialhilfe und zu 5,5 % aus Arbeitslosengeld beziehungsweise -hilfe bestritten. Waren die Kinder unter drei Jahren alt, lebten nur 32,6 % der Teilfamilien von dem Erwerbseinkommen der Mütter, aber 25,3 % von der Sozialhilfe. Und selbst bei Kindern im Alter von 10 bis unter 15 Jahren wurde der Lebensunterhalt nur in 52,5 % der Fälle überwiegend über die Berufstätigkeit der Mütter finanziert. Hier wird deutlich, dass etwa jede achte Mutter – und ein noch höherer Prozentsatz der Mütter von Kleinkindern – nach der Trennung das Sozialamt aufsuchen muss. Oft erlebt sie diesen Gang als Erniedrigung, Kränkung und Ausdruck des Versagens. Unterhaltszahlungen sind nur in jedem vierten Fall von Bedeutung. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass Unterhaltspflichtige ihren Verpflichtungen nicht oder nur teilweise nachkommen. Bei Kindern unter sechs Jahren springt dann unter bestimmten Umständen der Staat ein: So wurde zum 31.12.1987 in 21.207 Fällen Unterhalt nach dem Unterhaltsvorschußgesetz (UVG) an Kinder dauernd getrennt lebender Ehepaare gezahlt (Statistik des BMJFFG).

Erwerbstätige Getrenntlebende mit Kindern haben wohl weniger finanzielle Probleme, sind aber häufig überlastet und am Ende ihrer seelischen und körperlichen Kräfte. Nach einer Studie über 100 geschiedene Mütter und 50 Väter (Napp-Peters 1985) bestand für rund 40 % der Alleinerziehenden die schwierigste Aufgabe nach der Trennung darin, Beruf, Kindererziehung und Haushalt miteinander in Einklang zu bringen. Dieses gilt vor allem für solche Personen, die erst zum Zeitpunkt der Trennung wieder erwerbstätig werden. So macht die Familie zunächst einen desorganisierten Eindruck: Die Wohnung wirkt unordentlich und ungepflegt; die Familienmitglieder essen unregelmäßig und selten gemeinsam; Bettzeiten werden nicht eingehalten; die Kinder kommen zu spät in Kindergarten oder Schule. Besondere Schwierigkeiten macht auch die Betreuung kleinerer Kinder, da es an Plätzen in Kindertagesstätten und Horten mangelt und da die Öffnungszeiten dieser Einrichtungen vielfach zu kurz sind. Grundschüler haben unregelmäßige Schulzeiten; zudem gibt es zu wenig Ferienangebote für sie. Bei der zuvor erwähnten Untersuchung berichteten auch 38 % der Alleinerziehenden, dass sie niemanden haben, der bei ihrer Erkrankung einspringen und die Kinderbetreuung übernehmen könnte.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Mütter nach der Trennung mit ihren Kindern umziehen. Besonders häufig wechseln sie vom Land in die Stadt, da es dort mehr Berufsmöglichkeiten für Frauen gibt, weil die Kinderbetreuungsangebote in der Stadt besser sind und da sie in der dörflichen oder kleinstädtischen Umgebung stärker diskriminiert werden. Aber auch in größeren Städten werden sie mit Vorurteilen konfrontiert und bei der Wohnungssuche benachteiligt. Zumeist dauert es recht lang, bis sie sich von der negativen Haltung ihrer Umwelt distanzieren können. Insbesondere nach einem Umzug, oder wenn sie wegen der Versorgung kleinerer Kinder nur selten die Wohnung verlassen können, fühlen sich Getrenntlebende einsam und isoliert – wobei diese Emotionen besonders stark bei nichterwerbstätigen Elternteilen auftreten. Sie haben wenig Kontakt zu anderen Erwachsenen und wenig Freizeitmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass sich Mütter häufig als unattraktiv erleben und deshalb in die Partnersuche wenig Energie investieren.

Eine problematische Situation kann entstehen, wenn Getrenntlebende mit Kindern zu ihren Eltern ziehen. Wohl sind Probleme finanzieller Natur und hinsichtlich der Kinderbetreuung größtenteils gelöst; die neue Situation kann aber viel Konfliktstoff enthalten. So wetteifern Mütter und Großmütter oft miteinander, wer am besten die Kinder erziehen kann. Vielfach kommt es auch zu Auseinandersetzungen, wenn sie unterschiedliche Erziehungsstile praktizieren oder favorisieren. Außerdem lehnen es manche Großmütter ab, ihre Enkel zu bestrafen. Selbst wenn sie zu diesen zuvor ein positives Verhältnis hatten, empfinden sie das Zusammenleben mit ihnen oft bald belastend und überfordernd. Sie haben mehr Arbeit, erleben mehr die negativen Seiten ihrer Enkel und geraten häufiger mit ihnen in Auseinandersetzungen. Schließlich kann sich problematisch auswirken, wenn die Mütter wieder eine Tochterrolle einnehmen und einen großen Teil ihrer Erziehungsfunktion abtreten. Sie werden dann zu „älteren Schwestern“ ihrer Kinder, die vielfach Orientierungsprobleme haben, Loyalitätskonflikte empfinden oder den Eindruck gewinnen, dass sie nun auch noch den zweiten Elternteil verloren haben. Natürlich kann sich diese Situation aber auch positiv entwickeln, zum Beispiel wenn die Großeltern einen großen Teil der aus der Trennung resultierenden Probleme auffangen und den Kindern viel Liebe, Verständnis und Empathie entgegenbringen.

Abschließend soll noch kurz auf die Situation von sorgeberechtigten Vätern eingegangen werden, die rund 15 % aller Getrenntlebenden mit Kindern ausmachen. Sie erleben zum einen ähnliche Probleme wie die zuvor beschriebenen. Erschwerend kommt aber zum anderen hinzu, dass sie in der Regel nur schlecht auf ihre Rolle als Haupterzieher der Kinder vorbereitet sind, da in den meisten Familien noch immer die Mütter den größten Teil der Erziehungsfunktion ausüben. So müssen die Väter oft erst die alltäglichen Aufgaben der Versorgung, Pflege und Erziehung von Kindern erlernen. Hinzu kommt, dass sie es schwer haben, ihre Hilfsbedürftigkeit in diesem Bereich vor sich und anderen einzugestehen. Viele Väter, die sich in dieser Situation befinden, suchen besonders intensiv nach einer neuen Partnerin, die ihnen die Last der Kindererziehung und Haushaltsführung abnehmen soll. Bei einem hohen Einkommen lassen sie sich dazu aber mehr Zeit, da sie zum Beispiel eine Kinderfrau einstellen können. Väter, die kleine Kinder versorgen und deshalb ihren Beruf aufgeben müssen, erleben einen besonders starken wirtschaftlichen und sozialen Abstieg. Häufig fühlen sie sich von ihrer Umwelt geächtet.

Beziehung zwischen getrenntlebenden Ehegatten

Von großer Bedeutung für das psychische Wohlbefinden ist auch die Beziehung zum ehemaligen Partner. Sie muss individuell und aktiv bestimmt werden, da diese Rolle gesellschaftlich nicht definiert ist. Erschwerend kommt hinzu, dass das soziale Umfeld Kontakte zwischen früheren Ehegatten negativ sieht. Dennoch gelingt es vielen Personen, nach der Trennung eine wenig belastende Beziehung zum ehemaligen Partner aufzubauen. Das ist besonders häufig der Fall, wenn sie sich gemeinsam für die Scheidung entschieden haben und ohne größere Konflikte auseinandergegangen sind. Sie können in der Regel Beschlüsse über die Aufteilung des Eigentums, die Unterhaltsregelungen und die Erziehung der Kinder (Sorgerecht) auf rationale Weise fassen.

In vielen Fällen spüren Getrenntlebende noch starke positive Gefühle füreinander. Nach einer amerikanischen Studie (Spanier und Thompson 1984) empfanden vor allem Männer noch Liebe für ihre früheren Ehefrauen, die eher von einer Mischung aus Liebe und Hass berichteten. Nach einer anderen Untersuchung (Bloom und Hodges 1981) über 153 Personen, die sich gerade von ihrem Ehegatten getrennt hatten, sprachen 45 % der Befragten mit ihrem früheren Partner über die Möglichkeit einer Versöhnung – wobei das eher auf Eltern als auf kinderlose Paare zutraf. Nach amerikanischen Forschungsergebnissen bleiben enge Beziehungen auch noch nach der Scheidung bestehen, die in den USA kurze Zeit nach der Trennung erfolgen kann (im Gegensatz zu Deutschland). So berichten beispielweise Hetherington, Cox und Cox (1982), die 72 Scheidungsfamilien untersuchten: „Sechs Paare hatten Geschlechtsverkehr in den 2 Monaten nach der Scheidung. Vierunddreißig Mütter und 29 Väter berichteten, dass im Falle einer Krise der frühere Ehegatte die erste Person wäre, die sie anrufen würden. Acht Väter halfen weiterhin der Mutter im Haushalt und vier passten auf die Kinder auf, wenn sie andere Männer traf“ (S. 250).

Hier wird deutlich, wie stark die Bindungen an den früheren Partner noch sein können. Vor allem Männer erkennen oft jetzt erst ihre Abhängigkeitsbedürfnisse, derer sie sich vor der Trennung nicht bewusst waren. Auch viele Initiatoren stellen zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie ihre früheren Partner vermissen und sich allein fühlen. „Es ist sehr einleuchtend, dass der Prozess der Auflösung der Beziehung zu einer primären Bezugsperson das Gefühlsleben und Selbstbild durcheinander bringt. Bedenkt man die zentrale Rolle, die der Bindungsprozess für die eigene Identität hat, ist es auch nicht verwunderlich, dass ein sich trennendes Individuum ein Fortdauern der Bindung trotz einer Abnahme der Liebe erfährt …“ (Granvold 1989, S. 200). Hinzu kommt, dass bestimmte Situationen und Gegenstände immer wieder die Erinnerung an den früheren Partner wecken. Es ist offensichtlich, dass für Personen mit intensiven Bindungen und verbleibenden positiven Gefühlen die Trennungssituation besonders belastend ist.

Das Wohlbefinden von Getrenntlebenden ist fraglos stark beeinträchtigt, wenn es zu häufigen Auseinandersetzungen mit dem früheren Partner kommt. Dabei brechen oft heftige negative Emotionen hervor, mangelt es an Urteilsvermögen, gerät das Verhalten leicht außer Kontrolle, führt jede zu klärende Frage zu einem Machtkampf. Häufig kommt es zu Kommunikationsstörungen (wie Inkongruenz oder Fehlen von Rückmeldung), wird über Dritte kommuniziert, die leicht Botschaften verzerren und eine Eskalation von Konflikten hervorrufen können. Viele Getrenntlebende denken das Schlechteste über ihren ehemaligen Partner, begegnen ihm mit tiefstem Misstrauen und weisen ihm die Schuld für die Trennung und alle von ihnen derzeit erlebten Belastungen zu.

Unter diesen Bedingungen können viele nach der Trennung anstehende Fragen nicht rational geklärt werden. Dennoch müssen vorläufige Regelungen hinsichtlich der Aufteilung des Besitzes, des Ehegatten- beziehungsweise Kindesunterhalts und des Verbleibs der Kinder (Sorge- und Besuchsrecht) getroffen werden. Dieses ist in solchen Fällen oft nur unter Einschaltung von Rechtsanwälten, Gerichten und Jugendämtern möglich. Dabei werden viele Konflikte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen: So mag der Elternteil, bei dem die Kinder leben, Besuchs-, Brief- und Telefonkontakte zu dem abwesenden Elternteil zu unterbinden versuchen, weil der ehemalige Partner keinen oder nur einen Teil des Unterhalts zahlt, den Betrag zu spät auf das Konto überwiesen oder die Besuchsregelungen nicht eingehalten hat. Oft handelt er auch so, weil er die Elternrechte des früheren Ehegatten nicht anerkennt, dessen Erziehungs- oder Lebensstil ablehnt oder seiner Wut auf ihn Ausdruck verleihen will. Oder er kann vielfach nicht akzeptieren, dass die Kinder den abwesenden Elternteil lieben, oder befürchtet, dass er sie an ihn verlieren konnte. Dieser mag in solchen Fällen die Kinder aufhetzen, indem er ihnen attraktive Freizeitunternehmungen bei Besuchen in Aussicht stellt und deren Undurchführbarkeit beklagt.

Eltern-Kind-Beziehung

Das Ehe- und das Eltern-Kind-System sind zwei unterschiedliche Subsysteme der Familie. Bei der Trennung lösen die Ehegatten wohl die Partnerbeziehung auf, bleiben aber weiterhin die Eltern ihrer Kinder. Jedoch ändern sich in den folgenden Monaten und Jahren auch die Eltern-Kind-Beziehungen. Sofern ein Kontakt zu beiden Elternteilen besteht, können der mütterliche und der väterliche Haushalt für die Kinder zu Teilen eines „binuklearen Familiensystems“ werden (Ahrons und Wallisch 1987b). Die Getrenntlebenden müssen sich weiterhin über die Erziehung ihrer Kinder verständigen. Manchen gelingt es, die Elternrolle von der Partnerrolle zu trennen und die Kinder aus Konflikten mit dem früheren Ehegatten herauszuhalten; andere sind hierzu nicht fähig. In diesem Unterkapitel soll nun die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehungen nach der Trennung beleuchtet werden. Da die meisten Kinder bei der Mutter bleiben (s.o.), werde ich den anwesenden Elternteil als Mutter und den abwesenden als Vater bezeichnen. Für die 15 % der Fälle, in denen die Kinder beim Vater bleiben, gilt zumeist Analoges.

Nach der Trennung haben Mütter plötzlich mehr oder minder die alleinige Verantwortung für ihre Kinder. Jedoch ist diese Situation nicht so neu für sie, da sie schon in der Ehe die Hauptlast der Kindererziehung und Haushaltsführung trugen. Vielmehr geben die vielen Routineaufgaben (und der häufige Verbleib in der Familienwohnung) ihrem Leben Kontinuität und machen Veränderungen im Selbstkonzept weniger dringend. Hinzu kommt, dass Kinder oft eine Quelle von Lebensmut und emotionaler Unterstützung sind. Vor allem eine positive Mutter-Kind-Beziehung lässt die Trennung leichter ertragen und bewältigen. Allerdings besteht in dieser Situation die Gefahr, dass Mütter ihre ganze Liebe auf die Kinder übertragen oder sich auf sie konzentrieren, um die innere Leere zu füllen. Vor allem Mütter, die selbst Trennungen oder Abwesenheiten von Elternteilen in ihrer Kindheit erlebt haben, reagieren oft auf den Partnerverlust mit einem überängstlichen, anklammernden oder überbehütenden Erziehungsverhalten (Langenmayr 1987). So kommt es leicht zur Ausbildung symbiotischer Beziehungen. Manchmal werden Kinder auch zu Ersatzpartnern gemacht und abhängig gehalten, weil sie als Vertraute oder Gesprächspartner benötigt werden.

In anderen Fällen kommt es zur Vernachlässigung der Kinder, zu mangelnder Verhaltenskontrolle oder zur Ausbildung eines inkonsistenten Erziehungsstils. Hierfür kann es viele Ursachen geben:

  1. Die Mutter ist wieder erwerbstätig geworden oder hat eine neue Stelle angetreten. Nun hat sie weniger Zeit für ihre Kinder, musste sie plötzlich in einer Krippe, einer Tagesstätte oder einem Hort unterbringen. Sie ist durch all die Umstellungen überlastet und gestresst, hat weniger Geduld mit ihren Kindern und reagiert häufiger mit körperlicher Züchtigung.
  2. Die Mutter ist so sehr mit sich selbst und den aus der Trennung resultierenden Problemen beschäftigt, dass sie die Bedürfnisse ihrer Kinder nach Zuneigung, Liebe, Ermutigung und so weiter nicht erfüllt. Dieses gilt besonders für den Fall, dass sie depressiv geworden ist oder unter psychischen Störungen leidet. In all diesen Fällen wird oft auch ein älteres Kind parentifiziert: Es übernimmt einen mehr oder minder großen Anteil an der Hausarbeit und der Erziehung jüngerer Geschwister.

Bei einer amerikanischen Studie über 36 Jungen und 36 Mädchen aus Scheidungsfamilien (Hetherington, Cox und Cox 1982) wurde festgestellt, dass ihre Mütter weniger Gespräche mit ihnen in der Zeit nach der Trennung führten, weniger gut mit ihnen kommunizierten, weniger von ihnen verlangten und weniger Zuneigung zeigten als Mütter aus vollständigen Familien (Vergleichsgruppe). Vor allem fielen die hohe Rate und lange Dauer von negativen Interaktionen zwischen Müttern und Söhnen auf. Diese wurden auch häufiger bestraft als Töchter. Mädchen erhielten mehr Zuwendung und Unterstützung, wurden aber auch häufiger als Vertraute überfordert.

Viele Mütter erwarten, dass sich ihre Kinder nach der Trennung normal weiterentwickeln. Sie machen sich wenig Gedanken über deren Gefühlsreaktionen oder „übersehen“ sie. So ergab eine Untersuchung über 71 schottische Eltern und ihre Kinder (Mitchell 1985), dass fast zwei Drittel der Kinder unter der Trennung litten – aber dass weniger als ein Drittel der Eltern dies bemerkten. Viele Kinder erfahren in dieser Krisensituation also keine Unterstützung seitens ihrer Mütter. In anderen Fällen machen sich diese aber große Sorgen um ihr Wohlergehen. Dazu trägt die öffentliche Meinung bei, die in den Kindern die Hauptleidtragenden von Trennung und Scheidung sieht. Auch beobachtet die soziale Umwelt Alleinerziehende aufmerksamer, mischen sich Lehrer und Jugendamtsmitarbeiter häufiger in ihre Erziehung ein. So haben manche Mütter starke Schuldgefühle gegenüber ihren Kindern, beobachten sie genau hinsichtlich ihrer Reaktionen auf die Trennung und versuchen, negative Folgen zu kompensieren. Oft möchten sie auch perfekte Eltern sein, um negative Selbstwertgefühle auszugleichen, oder um ihre Stärken gegenüber dem ehemaligen Partner herauszustellen. Für die Mütter ist es jedoch besonders belastend, wenn ihre Kinder verhaltensauffällig werden. Sie fühlen sich dann inkompetent, entwickeln Ängste oder werden depressiv.

Vor allem bei kleineren Kindern wird der Einfluss des abwesenden Elternteils von dem anwesenden bestimmt. Wenn beispielsweise Mütter das Ende ihrer Ehe akzeptieren, die elterlichen Rechte ihrer ehemaligen Partner anerkennen und Besuche ihrer Kinder bei ihnen als Zeiten der Entspannung, der Muße, der Selbstverwirklichung oder der Pflege neuer Beziehungen definieren, fördern sie oft den Kontakt. In anderen Fällen verbieten sie ihren Kindern, Gefühle des Schmerzes über die Abwesenheit des Vaters zu äußern. Sie versuchen, Besuche zu unterbinden, indem sie besonders attraktive Alternativen anbieten oder Fragen stellen wie „Du willst doch nicht wirklich Vater treffen wollen?“ Vielfach erwarten sie, dass die Kinder ihre Partei ergreifen, die Trennung gutheißen und den Vater für diese verantwortlich machen. Dabei können sie auf das menschliche Bedürfnis zurückgreifen, bei tiefgreifenden Entscheidungen – wie der Trennung – die Schuldfrage zu klären. Selbst wenn man im Scheidungsrecht vom Schuldprinzip abgerückt ist, gilt nämlich weiterhin die Beobachtung: „Ich bin jedoch noch keinem Mann, keiner Frau und keinem Kind begegnet, die emotional eine Scheidung ohne Schuldzuweisung akzeptiert hätten“ (Wallerstein und Blakeslee 1989, S. 29). In vielen Fällen wird auch die Abneigung von (kleineren) Kindern gegenüber dem Vater von der Mutter induziert oder durch psychischen Druck, Drohungen, Lügen, Verleumdungen oder das Zeigen von Missbilligung und Abneigung bei Fragen nach dem Vater erreicht.

Es ist nicht verwunderlich, dass Kinder unter diesen Umständen intensive Loyalitätskonflikte erleben. Sie lieben in der Regel beide Elternteile, wollen es beiden recht machen und die Beziehung zu beiden aufrechterhalten. Nun sollen sie sich unter starkem Druck für einen entscheiden. Einige Kinder können diese psychischen Konflikte offen ausdrücken und mit vertrauten Personen besprechen, während andere sie nicht zeigen dürfen und in ihrem Innern lösen müssen. Jugendliche können sich auch von den Erwartungen ihrer Eltern aufgrund ihrer größeren Selbständigkeit distanzieren: Sie setzen die Beziehung zum Vater gegen den Widerstand der Mutter fort, fällen unabhängig Urteile über das Verhalten ihrer Eltern, widersetzen sich, wenn sie in Konflikte hineingezogen werden sollen, und zeigen offen ihre Wut, wenn ein Elternteil den anderen schlecht macht. Zudem entziehen manche sich ihren Eltern, indem sie sich in Hobbys stürzen, viel mit Gleichaltrigen unternehmen und sich frühzeitig von daheim ablösen.

Während viele Kinder die Beziehung zu beiden Elternteilen fortsetzen (können), entscheiden sich andere aus folgenden Gründen für einen von beiden:

  1. Kleinere Kinder sind noch stark von ihrer Mutter abhängig, können sich weniger ihrer Einflussnahme entziehen und ergreifen deshalb ihre Partei.
  2. Bei jüngeren Kindern wird mit der Trennung der Mythos von den perfekten Eltern zerstört. Oft lenken sie die aus dieser Erfahrung resultierenden Gefühle wie Wut und Enttäuschung auf den abwesenden Elternteil und lehnen ihn ab – vor allem wenn ein derartiges Verhalten von dem Anwesenden gefördert wird.
  3. Manche Kinder solidarisieren sich mit der Mutter, weil sie bei ihr leben, ihre Probleme hautnah erleben und sich gedrängt fühlen, Empathie zu zeigen und emotionale Unterstützung zu geben.
  4. Einige Kinder wählen den schwächeren oder unter größeren Problemen leidenden Elternteil, da dieser eher ihrer Hilfe bedarf.
  5. Jüngere Kinder wenden sich manchmal dem Vater zu, weil dieser sie bei Besuchen verwöhnt, mit Geschenken überschüttet und weniger auf Gehorsam Wert legt. Das tägliche Zusammenleben mit der Mutter wirkt bei weitem weniger attraktiv, da sie Hausarbeiten zuteilt, die Schulaufgaben kontrolliert, auf Ordnung achtet und eher straft.
  6. Ältere Kinder ergreifen für einen Elternteil Partei aus der inneren Notwendigkeit heraus, die Frage nach Recht und Unrecht zu klären. Dabei mag jedoch auch ein Elternteil idealisiert werden. Das daraus resultierende Verhalten wird oft von diesem bestätigt und belohnt.

Viele Kinder übernehmen in der Trennungsphase bestimmte Rollen wie die des Bündnispartners, Vermittlers, Informanten, Nachrichtenkuriers oder Mitwissers von Geheimnissen – sofern sie diese nicht schon vorher innegehabt haben. Sie genießen anfangs die mit der jeweiligen Rolle verbundene Macht, merken vielfach aber auch vorbewusst, dass sie ausgebeutet werden. Rollen wie die des Ersatzpartners oder parentifizierten Kindes können die kindliche Entwicklung beschleunigen, überfordern es jedoch häufig und verhindern die Teilhabe an altersentsprechenden Aktivitäten. Kinder, die vor der Trennung mit dem Vater verbündet waren, werden nun oft zu Sündenböcken gemacht oder erhalten weniger Unterstützung.

Vor allem jüngere Kinder zeigen in der Trennungsphase ein anklammerndes Verhalten. Sie fühlen sich, trotz Versicherung des Gegenteils, vom Vater verlassen. Nun haben sie Angst, dass auch die Mutter sie im Stich lassen könnte – wobei diese Angst oft noch dadurch geschürt wird, dass die Mutter erwerbstätig wird und weniger Zeit als zuvor für ihre Kinder hat. Oft müssen sie auch ihre Liebe und Zuneigung mit Liebhabern oder neuen Interessen teilen. Unter solchen Umständen werden manche Kinder verhaltensauffällig: Sie wollen die Aufmerksamkeit ihrer Mütter auf sich lenken und deren Liebe testen. Dabei erleben sie auch negative Reaktionen als Verstärkung – als Beweis, dass sich diese noch um sie kümmern. Einige Kinder werden in der Trennungsphase ihren Müttern (oder anderen Personen) gegenüber aggressiv, weil sie nur auf diese Weise ihre Wut auf den abwesenden Vater ausdrücken können oder weil sie Angst vor zu großer Nähe haben (wie der Vereinnahmung in einer symbiotischen Beziehung). Manche Kinder regredieren aber auch, um Gratifikationen aus früheren Entwicklungsphasen wiederzuerlangen oder weil sie Angst vor neuen Anforderungen haben. Diese Reaktionen werden oft durch ein überbehütetes und verwöhnendes Verhalten der Mütter gefördert. Haben Kinder Angst um die psychische Gesundheit ihrer Mütter oder befürchten sie, dass diese Selbstmord begehen könnten, bleiben sie manchmal unter fadenscheinigen Gründen daheim – ihr Verhalten erinnert dann an eine Schulphobie.

Besonders stark verändert sich die Beziehung zwischen Kindern und Vätern (den abwesenden Elternteilen). Zumeist treffen sie einander nur am Wochenende. Viele Väter fühlen sich entwurzelt, erleben die Trennung von ihren Kindern als traumatisch, entwickeln Schuldgefühle ihnen gegenüber und glauben, als Väter versagt zu haben. Auch verlieren sie an Selbstachtung, da sie nicht mehr den Status eines verantwortlichen Familienmannes innehaben. Selbst Väter, die sich vor der Trennung kaum um ihre Kinder gekümmert haben, vermissen oft zu ihrer eigenen Überraschung deren tägliche Nähe. Sie bereuen, dass sie bisher so wenig mit ihnen unternomme

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